Von Landschaften, die in Farbklängen erscheinen. Ausstellung „Colous alive“ erinnert im Bürgersaal des Rathauses an den 2022 gestorbenen Künstler Harald Huss. Das Werk befasst sich mit dem Wesen und mit der Wirkung von Farbe (Nürtinger Zeitung, 25. Januar 2025).
Ausstellung im Bürgersaal des Rathauses Nürtingen vom 23. Januar bis 21. Februar 2025. Öffnungszeiten: Montag bis Mittwoch 08.00 bis 17.00 Uhr, Donnerstag 08.00 bis 18.00 Uhr, Freitag 08.00 bis 12.00 Uhr. Eintritt frei.
Eröffnungsrede von Michael Gompf anlässlich der Vernissage am 22. Januar 2025. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Harald Huss habe ich vor etwa 35 Jahren durch gemeinsame Freunde kennengelernt. Da war er in Nürtingen schon beinahe 15 Jahre als Künstler aktiv, wir waren uns aber bis dahin noch nicht persönlich begegnet! Das ist insofern bemerkenswert, als er doch bei gemeinsamen Aktionen der Nürtinger Kunstszene Ende der 70iger Jahre mitmischte und ihn deshalb viele der damals im Kulturbereich engagierte Menschen kannten. Jahrzehnte später, der aus Nürtingen stammende Künstler Les Schliesser stellte gemeinsam mit seiner Partnerin Daniela Brahm im Kunstverein Nürtingen ihr mittlerweile weltbekanntes Projekt „Ex-Rotaprint“ Berlin vor, sagte dieser zu mir: „Ohne den Harald hätte ich nie Kunst studiert“! Als Schüler hatte er ihn bei der Ausstellung „ Diotima liebt auch dich“ im ehemaligen Landratsamt, an der Harald teilgenommen hat, angesprochen und die Begegnung bestärkte Les nachhaltig in seinem Interesse für Kunst. Mit der Übernahme des 1. und 2. Vorstands im Kunstverein Nürtingen begann 2002 dann eine engere freundschaftliche Beziehung mit Harald, in deren Folge ich über die Jahre auch bei mehreren seiner zahlreichen Ausstellungen gesprochen habe.
Harald war überaus produktiv. Wenn ich ihn in seinen Ateliers besuchte, war da eigentlich immer eine neue Werkreihe zu entdecken. Und Experimente mit neuen Materialien! Die Reihe entsprach seinem malerischen Vorgehen. Er machte Untersuchungen zu Farbklängen. Wenn sie die hier gezeigten Arbeiten betrachten, werden sie feststellen, die vermeintlich einfarbige Fläche auf dem Malgrund hat sich entwickelt. Der Farbton entsteht nicht auf der Palette, er entfaltet sich auf der Fläche durch Überlagerung von dünnen Farbschichten. Man kann ohne Übertreibung sagen, Harald hat sich die letzten 30 Jahre seines Lebens künstlerisch mit dem Wesen der Farbe und seiner Wirkung auf die Psyche befasst. Er ging dabei immer von sich aus. Und von der Feststellung Josef Albers: „Farbe ist das relativste Mittel in der Kunst“ (Interaction of colours 1971). Der amerikanische Farbfeldmaler Richard Diebenkorn könnte eine weitere Anregung gewesen sein. Zumindest, wenn man den Aspekt betrachtet, wie Harald Huss Landschaftseindrücke von seinen Reisen in den Süden Europas in seinen Skizzen in Farbklänge übersetzte, um sie dann im Atelier in Werkreihen adäquat zu komponieren. Die stetig neue Wechselwirkung von Licht und Landschaft verwandelte er in immer neue Arrangements von Farbabfolgen. Davon ausgehend begannen sich diese zu verselbständigen, das eben gemachte erforderte eine weitere Erkundung der jetzt autonomen Farbwirkung. Hier in der Ausstellung sehen Sie eine kleine Auswahl dieser Auseinandersetzung mit der Farbe: „colours alive“. Seinen Katalog von 2012 betitelte er: „Lost in colours“! Nichts war Harald in der Kunst wichtiger, als eben dies sagen zu können.
Sie sehen aber auch einige wenige Objekte, die Harald Huss mit dem Auftrag von Farbe zu Farbträgern machte. Die Reihe Stühle ist prominent vertreten, aber es existieren zahlreiche weitere Objekte. Fundstücke, Weinreben, exakte Holzobjekte, die wie bemalte Ziegel Bodenbereiche besiedeln. Ganz radikal dann emanzipierte er die Farbe vom Farbträger und hob die angetrocknete Farbmasse vom Atelierboden ab.
Sein Atelier war wie eine entgrenzte Leinwand, überall Farbe, überall Farbklänge, überall mögliche Kompositionen. All das existiert jetzt nur noch in einer Lagerform, die seine Lieben sehr sorgsam aufgebaut haben. Von Zeit zu Zeit verdient es dieser Fundus in jeweils neu zusammengestellter Form ein Publikum zu finden, um es an Haralds Reise in die Farbe teilnehmen zu lassen.
Diese Reise ist noch nicht abgeschlossen!
Vielen Dank.